Das globale Konjunkturumfeld ist zweifellos herausfordernd. Während die Notenbanken der hohen Inflation mit aggressiven Zinserhöhungen begegnen, wird die Wirtschaft einiger Industrienationen in den kommenden Monaten wohl in die Rezession rutschen. Ein solches Umfeld ist für die Unternehmen weltweit natürlich nicht hilfreich, und dies gilt auch für Unternehmen in Schwellenländern (Emerging Markets, EM). Andererseits sprechen ein paar wichtige Faktoren dafür, dass EM-Unternehmen jetzt ein attraktives Risiko-Ertrags-Profil bieten. Die folgenden vier Faktoren stechen dabei besonders hervor.

1. Attraktive Bewertungen

Trotz der kräftigen Rally im November bewegen sich die Renditen von EM-Unternehmensanleihen historisch gesehen auf einem attraktiven Niveau. Ende November lag die Indexrendite bei fast 7,80% und damit nicht nur höher als Ende 2021 (4,58% ), sondern auch deutlich über dem 20-Jahresdurchschnitt von 6,13% (1). Dies ist in erster Linie auf die anziehenden Renditen für US-Treasuries zurückzuführen, obwohl die Spread-Vergütung – für den breiteren Index gegenüber Ende 2021 um 90 Basispunkte – gestiegen ist.

Insgesamt sind wir insbesondere aus fundamentaler und technischer Sicht der Meinung, dass die aktuellen Renditen die Risiken jetzt mehr als ausgleichen.

2. Moderate Verschuldung im Vergleich zu den Industrieländern

Aus fundamentaler Sicht wird das schwächere globale Wachstumsumfeld die Unternehmensgewinne in den Schwellenländern zweifellos belasten. Den hinlänglich bekannten Einfluss Russlands, der Ukraine und Chinas einmal außen vor gelassen unterscheiden sich die Prognosen von JP Morgan für die Ausfallquoten im Jahr 2023 nicht sonderlich von denen für US- oder Euro-Hochzinsanleihen. Grund dafür sind vor allem die insgesamt gesunden Bilanzen sowie die aufgrund des effektiven Forderungsmanagements in den letzten Jahren vergleichsweise moderate Schuldenlast der Unternehmen. Tatsächlich sind diese insgesamt nur etwa halb so hoch verschuldet wie ähnlich bewertete Unternehmen in Industrieländern. In einem Umfeld mit deutlich höheren Finanzierungs- und Refinanzierungskosten sollte dies eine gewisse Sicherheit bieten.

Auch die steigende Zahl der Tender-Offerten in den letzten sechs Monaten deutet auf eine sinkende Verschuldung und Bilanzen mit komfortablen Liquiditätspositionen hin.

3. Freundliches Bild auf der Angebotsseite

Aus technischer Sicht ist die Angebotssituation überaus günstig. Während es am Primärmarkt derzeit ruhig zugeht, dürften die Nettofinanzierungen laut JP Morgan bis Ende 2022 um rund 218 Milliarden USD zurückgehen (2). Damit würde die Anlageklasse der EM-Unternehmensanleihen zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren schrumpfen. Grund dafür ist der Anstieg des risikofreien Zinssatzes und die Tatsache, dass Emittenten zunehmend nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau halten, etwa am lokalen Anleihenmarkt oder bei den Banken. Bei ansonsten gleichen Bedingungen dürften die Renditen infolge des reduzierten Angebots an Anleihen unter Abwärtsdruck geraten und so die Erträge stützen.

4. Strukturelle Faktoren

Innerhalb der breiteren Anlageklasse der Schwellenländeranleihen und im Verhältnis zum globalen Fixed-Income-Bereich haben EM-Unternehmensanleihen eher kurze Laufzeiten. So war die Index-Duration von 4,2 Ende November deutlich kürzer als die jene von EM-Staatsanleihen (6,8) und globalen Investment-Grade-Unternehmensanleihen (6,3) (3). Wichtig ist dies deshalb, weil mit der kürzeren Duration auch die Sensibilität gegenüber Zinserhöhungen sinkt – derzeit ein zentraler Risikofaktor.

Zudem gilt es zu bedenken, dass sich die Kredit-Ratings von Unternehmen in Schwellenländern letztendlich durch das Rating des Landes bestimmen, in dem sie ansässig sind. In der Regel liegen die Bewertungen maximal ein bis zwei Stufen über den Ratings der Länder. Auch wenn sich die Ratings von EM-Unternehmen in den letzten Jahren insgesamt negativ entwickelt haben, liegt dies eher an Veränderungen der Länder-Ratings als an Neubewertungen einzelner Unternehmen auf der Grundlage von Fundamentaldaten. Durch Länder-Ratings bedingte Herabstufungen können zu Fehlbewertungen führen, die sich als Chancen nutzen lassen. In manchen Fällen sind die Erfolgsbilanzen und die Kreditwürdigkeit der Unternehmen besser als die ihrer Heimatländer.

Abschließende Erwägungen – Selektivität zählt

Auch wenn wir das Risiko-Ertrags-Profil von EM-Unternehmensanleihen derzeit insgesamt positiv einschätzen, ist es gerade im aktuellen Wirtschaftsumfeld äußerst wichtig, selektiv vorzugehen. Unter schwierigeren Finanzierungsbedingungen und bei nachlassendem Wachstum gewinnt die Titelauswahl an Bedeutung. Anleger sollten darauf achten, potenzielle „Wertfallen“ zu vermeiden – wenn höhere Anleihenrenditen nicht für die Gesamthöhe des Risikos entschädigen.

Quellen

  1. Bei dem genannten Index handelt es sich um den JPM CEMBI Broad Diversified Index.
  2. JPM EM Corporate Weekly Monitor, 31. Oktober 2022
  3. Es wird auf die folgenden Indizes verwiesen: den JPM CEMBI Broad Diversified Index für EM-Unternehmensanleihen; den JPM EMBI Global Diversified Index für EM-Staatsanleihen; den Bloomberg Barclays Global Aggregate Index für globale Investment-Grade-Unternehmensanleihen.