Vor einem schwierigen makroökonomischen Hintergrund erzielten Schwellenländeranleihen im Jahr 2023 deutlich positive Renditen. Anleihen aus Frontier Markets waren mit einem Plus von 21 % im Jahresverlauf die Spitzenreiter. Es folgten EM-Lokalwährungs- und EM-Hartwährungsanleihen mit 12,7 % bzw. 10,4 % sowie EM-Unternehmensanleihen mit 9,1 % (1).

Wo ist also der Haken an der Sache? Kurz gesagt: die Mittelzuflüsse oder besser gesagt das Fehlen solcher Mittelzuflüsse, in spezielle EM-Anleihenstrategien. Tatsächlich war 2023 das zweite Jahr in Folge, in dem Nettoabflüsse zu verzeichnen waren (31,1 Mrd. USD) - auch wenn dies eine Verbesserung gegenüber den 90 Mrd. USD darstellte, die Anleger 2022 abgezogen hatten (siehe Abbildung 1). Ausschlaggebend für diese Aktivität war die anhaltende Verringerung der Bilanzsummen der Zentralbanken in den entwickelten Märkten. Die zunehmende negative Beziehung zwischen den US-Renditen und den Zuflüssen in Schwellenländeranleihen spielte ebenfalls eine Rolle. Mit einem Gefühl des Déjà-vus erwarten wir, dass die US-Notenbank (Fed) und der Beginn eines Zinssenkungszyklus im Jahr 2024 wichtige Katalysatoren für neue Zuflüsse und Erträge sein werden.

Im Folgenden werfen wir einen Blick darauf, was im kommenden Jahr für jede Unteranlageklasse ansteht.

Abbildung 1: 2023 gab es weiterhin Abflüsse aus Schwellenländeranleihen. Die Faktoren, die dafür verantwortlich waren, werden sich 2024 fortsetzen.

Quelle: JP Morgan, Dezember 2023

EM-Hartwährungsanleihen

Im Jahr 2023 kam es zu einer Verengung der Spreads, aber nicht zu niedrigeren Renditen. Auf Indexebene erscheinen 384 Basispunkte (bps) Spreads uninteressant (1). Ein Blick unter die Haube zeigt jedoch eine deutliche Divergenz zwischen den Spreads von Investment-Grade- (IG) und BB-gerateten Anleihen auf der einen Seite und den CCC-gerateten Anleihen auf der anderen. Die IG-Spreads für Staatsanleihen der Schwellenländer sind im historischen Vergleich und im Vergleich zu den US IG-Spreads eng, während bei den CCC-Papieren das Gegenteil der Fall ist.

Nach den jüngsten zurückhaltenden Signalen des Offenmarktausschusses der US-Notenbank liegt der Medianwert des Leitzinses für das nächste Jahr bei 4-5 %. Das sind 50 Basispunkte weniger als in der Septemberprognose und 75 Basispunkte weniger als die derzeitige Einstellung. Die Fed-Funds-Futures rechnen jetzt mit einer vollständigen Zinssenkung bis März. Es stellt sich die Frage, was diese restriktive Haltung für Hartwährungs-Staatsanleihen bedeuten könnte. Die Geschichte zeigt, dass die Zeit um die erste Zinssenkung eines Zyklus nicht immer positiv für aufstrebende Volkswirtschaften ist. Das liegt daran, dass Zinssenkungen mit einer Verlangsamung des Wachstums und zunehmender Risikoaversion einhergehen. Dennoch sind zweistellige Renditen 6-12 Monate nach der ersten Zinssenkung keine Seltenheit, insbesondere bei Hochzinsanleihen mit niedrigerem Rating.

Die Verschuldung und die fiskalischen Aussichten der Schwellenländer werden für die Rendite ebenso wichtig sein. Die Zinskosten werden unter dem nominalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, das relativ hoch im Vergleich zu den Industrieländern bleiben dürfte. Es ist kein Geheimnis, dass sich die Staatsbilanzen der Schwellenländer in den letzten Jahren verschlechtert haben. Die Länder können ihre Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung nicht unbegrenzt aufschieben. Das Zins-/Wachstumsgefälle verschafft vielen Ländern jedoch eine Atempause, um ein Primärdefizit zu erzielen, während ihr Schuldenstand sinkt.

Mehrere Länder werden mit Spreads von über 1.000 Basispunkten gehandelt, was für den Markt eine symbolische Grenze darstellt, weil viele internationale Investoren aus verschiedenen Gründen nicht in Anleihen mit zweistelligen Zinsen investieren dürfen. Wir gehen davon aus, dass es 2024 keine Kreditausfälle geben wird, da die Länder mit nennenswerten Laufzeiten (Kenia, Pakistan und Ägypten) bereit und in der Lage sind, zu zahlen. Auch technische Faktoren sprechen für Staatsanleihen in Hartwährung, wobei IG-Namen die Emissionstätigkeit dominieren. Der fehlende Marktzugang für Unternehmensanleihen mit niedrigerem Rating gibt Anlass zur Sorge. Wir sind jedoch der Ansicht, dass das Ausfallrisiko in diesem Jahr geringer ist, als die Spreads vermuten lassen, da die Länder in der Lage sind, billigere Finanzierungen des öffentlichen Sektors zu erhalten.

Die Renditen für Länder wie El Salvador, Nigeria und Kenia liegen bei über 10 %, so dass der Marktzugang schwer zu rechtfertigen ist, . Die lokalen Schuldenmärkte werden einen Teil der zusätzlichen Nachfrage auffangen müssen. Gleichzeitig werden multilaterale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds zunehmend ihre Quoten ausweiten und ihre Programme verlängern. Dazu gehört auch der Zugang zu neuen Mitteln über Instrumente wie die RSF (Resilience and Sustainability Facility).

Letztendlich glauben wir, dass die Renditen von Hochzins-/Frontier-Anleihen im Jahr 2024, wie schon 2023, am überzeugendsten sein werden. Trotz des fehlenden Marktzugangs für zahlreiche Emittenten bieten die starke multilaterale Unterstützung und die alternativen Finanzierungsquellen reichlich Spielraum für eine Verringerung der Spreads und einen Rückgang der Renditen.

EM-Lokalwährungsanleihen

Der Zinshöchststand in den entwickelten Märkten dürfte die Zahl der Länder, die ihren Zinssenkungszyklus beginnen können, erhöhen. Die Inflation geht zurück und ist, wenn überhaupt, im Großen und Ganzen niedriger als vorhergesagt. Gleichzeitig ist das Wirtschaftswachstum im Allgemeinen schwächer als prognostiziert. Lateinamerika hat mehr Spielraum für Zinssenkungen, da das Wirtschaftswachstum weniger hoch ist und sich der inländische Lohndruck in Grenzen hält. Die Inflation in CEEMEA (Mittel- und Osteuropa, Naher Osten und Afrika) ist stärker ausgeprägt, obwohl viele Länder in der Lage sein dürften, die Zinssätze zu senken. Asien hingegen hat die Zinssätze in der Vergangenheit nicht nennenswert angehoben und verfügt daher über weniger Möglichkeiten für Zinssenkungen im weiteren Jahresverlauf. Es gibt Länder, die diesen Weg der Zinssenkungen noch nicht eingeschlagen haben, wie die Türkei, Argentinien und Nigeria. Dort bleiben Währungsschwäche und Inflation eine Herausforderung für die Geldpolitik.

Im Laufe des Jahres 2023 haben die Bewertungen etwas an Attraktivität verloren. Dennoch hat sich die Unsicherheit über die makroökonomischen Aussichten verringert. Wie wir hervorgehoben haben, könnten die Fed und die Europäische Zentralbank die Zinssätze in den nächsten 12 Monaten senken. Dies könnte zu einem weiteren Jahr mit guten Renditen für EM-Lokalwährungsanleihen führen.

Die Renditen lokaler Schwellenländeranleihen sind zwar im Vergleich zu den US-Zinsen nicht hoch (die Risikoprämien sind niedrig) aber während vergangener Zinssenkungszyklen der Fed durchweg gefallen. In der Vergangenheit folgten die Renditen den US-Treasuries und zogen an, bevor die erste Zinssenkung eintrat. Außerdem haben sie nach der ersten Zinssenkung eines jeden Zyklus gute Renditen auf devisengesicherter Basis erzielt.

Wir gehen davon aus, dass niedrigere Renditen und eine längere Laufzeit die wichtigsten Renditequellen für EM-Lokalwährungsanleihen im Jahr 2024 sein werden. Allerdings gibt es auch Spielraum für eine Aufwertung der Schwellenländerwährungen. Unterstützend wirkt der hohe Carry vieler EM-Währungen. Auch der Beginn eines Lockerungszyklus der US-Notenbank hat das Potenzial, dem US-Dollar den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Abbildung 2: Die Renditen lokaler Schwellenländeranleihen müssen noch weiter sinken

Quelle: JP Morgan, Dezember 2023

EM-Unternehmensanleihen

Die Fundamentaldaten für EM-Unternehmensanleihen sind trotz der jüngsten Volatilität und der unsicheren Wirtschaftsaussichten weiterhin günstig. Der Trend bei den Kreditratings hat sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 ins Negative gedreht. Dies war jedoch eher auf einzelne Bereiche des Marktes zurückzuführen als auf eine allgemeine Schwäche. In einer der ersten zukunftsgerichteten Datenveröffentlichungen für 2024 prognostiziert JP Morgan eine Ausfallquote von 4 %. Dies steht im Vergleich zu 8 % für 2023 und spiegelt die breite Kreditstärke der EM-Unternehmen wider. Die Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums wird wahrscheinlich zu Anpassungen der operativen Leistung nach unten führen. Dennoch bleibt der Verschuldungsgrad niedrig und die Unternehmen werden in der Lage sein , ihre ausstehenden Schulden zu bedienen. Die Anlageklasse bietet im Vergleich zu US-Unternehmensanleihen auf Basis der absoluten Spreads ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, insbesondere bei BB- und BBB-gerateten Anleihen.

Zudem bleiben die technischen Faktoren günstig. Wir gehen davon aus, dass die Nettofinanzierung im Jahr 2024 mit -190 Mrd. USD erneut negativ sein wird, und bei die Primäremissionen mit 244 Mrd. USD gering ausfallen werden. Die Positionierung der Anleger in Unternehmensanleihen aus den EM-Ländern befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren und stellt damit eine günstige Ausgangsposition dar. Sollte es zu einem deutlichen Rückgang der Zinssätze kommen, werden sich die Kapitalströme wahrscheinlich umkehren.

Eine nachhaltige Zukunft

Auf dem Primärmarkt schließlich wird der wachsende Trend zu umwelt-, sozial- und nachhaltigkeitsbezogenen Anleihen (GSS) als Prozentsatz des gesamten Emissionsvolumens zunehmen. Der Markt für GSS-Anleihen ist stetig gewachsen (30 % des Volumens im Jahr 2023 gegenüber 5 % im Jahr 2018) und macht nun 13 % der Anlageklasse der EM-Unternehmensanleihen aus. Unserer Ansicht nach macht der relativ niedrige oder gar nicht vorhandene Aufschlag gegenüber traditionellen Anleihen die GSS attraktiv. Außerdem stehen sie den Anlegern in zunehmend größerer Zahl zur Verfügung, was sich 2024 und darüber hinaus fortsetzen dürfte.

  1. Quelle: JP Morgan Januar 2023