Die Wälder unserer Erde beheimaten schätzungsweise 80% aller auf dem Land lebenden Tier-, Pflanzen- und Insektenarten. Wälder speichern atmosphärisches Kohlendioxid – einer der Hauptverursacher der globalen Erwärmung – und liefern darüber hinaus genetisches Material, das für Pharmaunternehmen immens wichtig ist.

Die Förderung von nur sieben Rohstoffen ist maßgeblich für den weltweiten Waldschwund verantwortlich. Ann Meoni untersucht, welche Rolle Asien dabei spielt ...

Selbst inmitten einer globalen Pandemie gingen 2021 weltweit etwa 11,1 Millionen Hektar tropischer Regenwald verloren. Das entspricht etwa 30 Fußballfeldern pro Minute. Zwischen 2001 und 2015 war rund ein Viertel des weltweiten Verlusts an Baumbestand auf die Förderung von nur sieben Rohstoffen zurückzuführen.

Im Vorfeld des diesjährigen Nachhaltigkeitsgipfels, den abrdn in sechs asiatischen Städten ausrichtet, befassen wir uns mit der Frage, wie sich dieser Sachverhalt auf die Welt und dabei insbesondere auf den asiatisch-pazifischen Raum auswirkt, und legen dar, warum sich Anleger dafür interessieren sollten. Die nachfolgenden Überlegungen stützen sich auf die Erkenntnisse unserer aktuellen Publikation: „Deforestation – why it matters to investors.“

Den vollständigen englischen Bericht finden Sie hier

Wo liegt das Problem?

Während oftmals das Thema Abholzung im Mittelpunkt steht, beschäftigen wir uns mit dem Waldschwund als Ganzes. Gemeint ist damit einerseits die Abholzung, also die dauerhafte Verwandlung von Wald für eine andere Art der Flächennutzung, andererseits aber auch die Waldschädigung in Form von Veränderungen, die sich negativ auf die Struktur und die Funktion eines Waldes auswirken.1

Betroffen sind vor allem die tropischen Regionen Lateinamerikas und des asiatisch-pazifischen Raums, bedingt durch die weltweit steigende Nachfrage nach waldgefährdenden Rohstoffen (Forest Risk Commodities, FRC) wie Rindern, Palmöl, Soja, Plantagenkautschuk, Kakao, Kaffee und Plantagenholzfasern (siehe Abbildung 1).

Durch das Waldsterben wird die Fähigkeit der Natur, Kohlenstoff zu speichern, beeinträchtigt und die langfristige Gesundheit und Stabilität unseres Planeten bedroht. Wälder erbringen eine Vielzahl von „Ökosystemleistungen“ wie Wasserversorgung, Bereitstellung von genetischem Material, Regulierung der Bodenqualität und sogar Kühlung des Planeten, die trotz der wirtschaftlichen Vorteile nicht ausreichend Berücksichtigung finden.

Durch das Waldsterben wird die Fähigkeit der Natur, Kohlenstoff zu speichern, beeinträchtigt und die langfristige Gesundheit und Stabilität unseres Planeten bedroht.

Abbildung 1: Wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken durch sieben wichtige Rohstoffe

Fokus: Indonesien ist auf dem richtigen Weg

In diesem südostasiatischen Land befindet sich der drittgrößte Regenwald der Welt, doch Agrarprodukte sind ein wichtiger Bestandteil der Volkswirtschaft.

In der jüngsten Vergangenheit ist es Indonesien gelungen, die Steigerung der FRC-Produktion beizubehalten, gleichzeitig aber die Entwaldungsrate zu senken. Im Zeitraum 2014 bis 2015 verlor das Land 1,09 Millionen Hektar Wald. Bis 2019/2020 verringerten sich die Verluste jedoch um fast 90% auf nur noch 115.500 Hektar.

Zurückzuführen ist dies unter anderem auf ein dauerhaftes Verbot neuer Genehmigungen zur Ausbeutung von Primärwäldern und Torfgebieten. Ein Moratorium bezüglich neuer Lizenzen für Palmölplantagen trug ebenfalls dazu bei; allerdings spielten auch die starken Regenfälle in diesem Zeitraum eine Rolle, da sie das Brandrisiko verringerten.

Diese niedrigere Entwaldungsrate wurde jedoch in Frage gestellt, als sich die politischen Rahmenbedingungen änderten (das Moratorium für neue Plantagenlizenzen endete, und Maßnahmen zur Förderung der Biokraftstoffproduktion wurden umgesetzt) und sich die Rohstoffpreise erholten.

Dennoch verzeichnete Indonesien 2022 die zweitniedrigste durch die industrielle Palmölproduktion verursachte jährliche Entwaldungsrate, nachdem diese 2021 den tiefsten Stand seit 22 Jahren erreicht hatte.

Warum ist das für Anleger von Belang?

In der Vergangenheit stand bei der Betrachtung der finanziellen Risiken im Zusammenhang mit Waldverlusten eher die Schädigung des Rufs von Marken und Einzelhändlern im Vordergrund.

Doch dies ändert sich vor allem aus den folgenden beiden Gründen. Neue Vorschriften, wie etwa die EU-Verordnung zur Vermeidung der Entwaldung (EUDR), erhöhen die Übergangsrisiken und die Kosten für die Einhaltung der neuen Vorschriften zur Begrenzung des Waldsterbens. Gleichzeitig treten allmählich auch physische Risiken infolge der durch das Waldsterben verursachten Schäden an den Ökosystemen zutage.

Der Supply Chains Data Explorer von Trase Earth kann Anleger dabei unterstützen, die Umweltindikatoren im Zusammenhang mit Rohstoff-Lieferketten besser zu verstehen.

Wo bieten sich Chancen?

Wir machen vier potenzielle Chancen aus, die sich im Zuge der Entwicklung neuer Branchen und einer strengeren Regulierung ergeben können:

  • Rückverfolgbarkeit – Möglichkeiten in Bereichen wie der Radiofrequenz-Identifikation (RFID) und der Blockchain-Technologie zur Rückverfolgung der Herkunft von Rohstoffen. Auch die Nutzung von Satelliten- und Drohnentechnologie zur Überwachung von Aktivitäten stößt auf Interesse.
  • Wiederherstellung – Es wurden neue Investmentfonds aufgelegt, um Kapital in die Wiederherstellung von Ökosystemen zu leiten. Für Grundstückseigentümer bieten sich im Rahmen von naturbasierten Lösungen reale Wertschöpfungsmöglichkeiten. Sie stellen einen weiteren potenziellen Wachstumsbereich dar, wobei die Kohlenstoffmärkte alternative Einkommensströme ermöglichen.
  • Alternativen – Der Wettbewerb um die Entwicklung brauchbarer Alternativen zu FRC, wie pflanzliches „Fleisch“ und veganes „Leder“. Es wird an Soja-Alternativen geforscht, zum Beispiel Mikroalgen und Insekten.
  • Prüfer – Unternehmen, die Dienstleistungen im Bereich der Sorgfaltspflicht, der Überwachung und Kontrolle anbieten.

Fokus: Wie Asien das Waldsterben „importiert“

Der zunehmende Wohlstand in der Region bringt Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten mit sich, unter anderem einen Anstieg des Fleischkonsums. Die Vorliebe für Hühner- und Schweinefleisch hat zu einer Abhängigkeit von importiertem Soja als Tierfutter geführt.

China ist der größte Sojaimporteur der Region, wobei rund 85% seines Sojakonsums durch Einfuhren vor allem aus Brasilien, Argentinien und den USA gedeckt werden.

China und Indien, die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt, verzeichnen auf nationaler Ebene einen Nettozuwachs an Wäldern. Allerdings wächst auch das „importierte“ Waldsterben – das die Tropenwälder am stärksten bedroht.

Dies betrifft jedoch nicht Asien allein. So verursachen beispielsweise die Konsummuster der Länder der Gruppe der Sieben (G7) – Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien und die USA – einen durchschnittlichen Verlust von 3,9 Bäumen pro Person und Jahr in anderen tropischen Wäldern.

Abschließende Erwägungen

Viele Unternehmen werden gezwungen sein, die Art und Weise, wie sie FRC beschaffen und liefern, zu ändern, da weltweit neue Regelungen in Kraft treten. Dies birgt Risiken und Chancen für Anleger.

Die neuen EU-Vorschriften zur Verhinderung von Entwaldung betreffen nicht nur die Rohstoffe, sondern auch den Bereich der legal produzierten FRC.

Länder, die in hohem Maße von der Ausfuhr von FRC in die EU-27 abhängen, könnten einen Rückgang ihrer Exporteinnahmen verzeichnen (z.B. Indonesien, Brasilien und Malaysia). Allerdings könnten diese Exporte auch in andere Länder umgeleitet werden, zum Beispiel nach China oder in die USA.

Außerhalb Europas können die Produzenten jedoch einfach ihre Lieferketten umstrukturieren, indem sie sich aus den für den EU-Markt bestimmten FRC-Lieferketten zurückziehen, während sie weiterhin mit Abholzung in Verbindung stehende Waren für andere, weniger rigorose Märkte produzieren.

Damit die Regulierung auch wirklich greift, müssten daher mehr asiatische Märkte dem Beispiel der EU und anderer Länder folgen.

  1. FAO (2001) – Global Forest Assessment 2000